Geschützter Ursprung von Mezcal und Tequila
Die Denominación de Orígen Mezcal bzw Tequila etc. ist eine Geschützte Ursprungsbezeichnung, die ähnlich funktioniert wie eine geschützte Marke und im Besitz des –in diesem Fall mexikanischen- Staates ist. Das bedeutet, dass nur Produkte, welche die Regeln der DO erfüllen, den Namen eines Produktes unter Schutz einer DO führen dürfen. In Deutschland beispielsweise Allgäuer Bergkäse. Die Spreewälder Gurke ist dagegen nur eine Geschützte Geografische Angabe. Die DOs sind Konzepte eines europäischen Mindsets und versuchen, Authentizität in einer Welt mit schwindenden kulturellen Identitäten zu bewahren und zu vermitteln. Richtig eingesetzt, können DOs Nachhaltigkeit in Herstellungskultur und -qualität, Ökonomie und Umweltschutz erzeugen. Der entgegengesetzte Fall ist bei falscher Anwendung zu erwarten. In jedem Fall sind sie selbstverständlich auch Marketing-Instrumente.
Die DO Tequila war die erste außerhalb Europas. Im Rahmen des Freihandelsabkommens zwischen Mexiko und der EU existiert eine gegenseitige Anerkennung aller Geschützten Ursprungsbezeichnungen. Alle Flaschen mit Schutz durch eine DO tragen eine NOM-Nummer, durch die sich die Brennerei auffinden lässt. Mezcal trägt außerdem einen Aufkleber mit Hologramm, Flaschennummer und QR-Code mit weiteren Informationen zum Produkt.
DO Tequila
Verschiedene Faktoren haben im Laufe der Zeit für eine Steigerung der Produktion von „Vino Mezcal de Tequila“ gesorgt. Dies war zum einen der lokale Markt in der Haupstadt Guadalajara, die küstennahe Lage mit dem Exporthafen Puerto Vallarta und die vorherrschende Form des Großgrundbesitzes (haciendas), welche eine arbeitsteilige Produktionsstruktur für Agaven und deren Verarbeitung ermöglichte. Dies ist die Voraussetzung, um die Produktion skalieren zu können. In Regionen mit landbesitzenden Kleinbauern (wie Oaxaca oder Guerrero) entwickelte sich die Brennkultur gänzlich anders.
Die Norm von 1974 war ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum Player auf dem internationalen Spirituosenmarkt, die sich schon seit der Jahrhundertwende anbahnte. Die Entwicklung ging zu Lasten kleiner Hersteller, traditioneller Methoden und der Produktvielfalt. In einer ersten Regulierung aus dem Jahr 1949 wurde des Rohmaterial auf A. tequilana Weber festgelegt, obwohl in der Region zuvor mit einer Vielzahl von Agaven gebrannt wurde – und heute noch wird, wie man an den Produkten von MEZONTE sehen kann. In der Form von ´74 wurden die „Mixtos“ zugelassen, die einen Fremdzuckeranteil unbekannter Provenienz bis zu 49% zulassen. Wenn das Produkt nicht ausdrücklich 100% Agave (oder Puro de Agave) ausweist, handelt es sich um einen „Mixto“. Trotz der gegenteiligen Idee sorgte also die DO und der internationale Erfolg dafür, dass Tequila „verramscht“ wurde. Den immer schlechteren Produkten folgte ein immer schlechterer Ruf.
Erst in jüngster Zeit findet im Zuge der Craft-Bewegung ein Revival alter Techniken mit Besinnung auf Diversität statt, getragen von kleinen Brennereien in Familienbesitz, die sich von anonymer Industrieware und Celebrity-Brands abgrenzen wollen. Im Zuge dessen wird auch die DO zunehmend in Frage gestellt.
DO MEZCAL
Für die Kritiker der erst 20 Jahre später eingeführte DO Mezcal galt Tequila –mit einigem Recht! - stets als abschreckendes Beispiel für die Effekte dieser Vorschriften. Dabei hat Mezcal eben wegen der Abwesenheit staatlicher Regulierung einen großen Teil seiner kulturellen Identität bewahren können. Seine Produktion war während der Kolonialzeit verboten, auch, um den Alkoholika aus dem Mutterland Spanien einen Marktvorteil zu verschaffen. In vielen Gegenden galt im modernen Mexiko bis in die 80er Jahre eine Prohibition, diesmal zum Vorteil der Konkurrenten aus der einheimischen Spirituosen- und Brauereiindustrie. Dort ließ man auch keine Gelegenheit aus, die kleinbäuerlichen Agavenbrände als unsauber und gefährlich zu brandmarken.
Die 1994 eingeführte Norm für Mezcal war im Wesentlichen eine Kopie derjenigen für Tequila, mit den einzigen Unterschieden der Region und der freien Wahl des Rohmaterials. Sie war in ihrer Summe sehr weit von der kulturellen Wirklichkeit der Mezcalproduktion entfernt, beispielsweise durch Vorschriften zur Fasslagerung (traditionell wird Mezcal nicht im Fass ausgebaut) und Zugabe von Fremdzuckern bei der Gärung (traditionelle Brenner verarbeiten nur 100% Agave). De facto definierte die Norm nicht nur geografisch, welche Produkte nunmehr innerhalb des gesetzlichen Rahmens seien, sondern eben auch über andere wie z.B. physisch-chemische Parameter: Säuregehalt, Trinkstärke u.a. Somit setzte sich bei den Brennern in Teilen das Bestreben durch, den Anforderungen der Norm zu genügen und ihre alten Rezepturen und Aromenprofile (gusto historico) zu verändern, um weiterhin den Namen Mezcal führen zu können und Anteil am Marktgeschehen zu nehmen. Die Folge ist ein Verlust an Produktdiversität, wie er in der Tequilawelt schon Realität ist. Dort bedienen die meisten Produkte inzwischen einen gleichförmigen Massengeschmack.
Viele Mezcalbrenner und ihre Familien machten also innerhalb eines halben Erwerbslebens die Erfahrung, dass der Staat zunächst ihre Produkte als minderwertig einstufte und verbot, dies dann zurücknahm, aber nur um dann Regulierungen einzuführen, wie sie, die Hersteller, diese Produkte künftig herzustellen hätten, um den von ihnen seit Jahrhunderten tradierten Namen Mezcal tragen zu dürfen. Dies wird zu Recht von vielen indigenen und traditionellen Herstellern als illegitime kulturelle Übernahme empfunden.
Reform der DO Mezcal
Eine Reform wurde im Jahr 2017 nach harten internen Auseinandersetzungen vom Consejo Regulador del Mezcal (CRM) verabschiedet, welche neue und alte Player auf dem Mezcalmarkt gleichermaßen zufriedenstellen sollte. Es wurden drei Kategorien definiert, die eine industrielle (Mezcal), handwerkliche (Mezcal Artesanal) oder strikt „altertümliche“ (Mezcal Ancestral) Produktionsweise kommunizieren sollen. Diese können mit sechs Klassen kombiniert werden, in denen beispielsweise Fassausbau oder weitere Verarbeitung (z.B. Zugabe eines „Agavenwurms“) festgelegt werden. Außerdem darf Mezcal nur noch aus 100% Agave gebrannt werden.
Bemerkenswert an diesem Gesetz ist, dass es versucht, die Begriffe Craft oder Handwerk durch überlieferte Herstellungsmethoden für das Produkt Mezcal festzulegen und auf dem Etikett dem Konsumenten zu vermitteln. Und es kommt dem Bestreben, eine Tradition abzubilden, manchmal überraschend nahe. Leider werden einige elementare Punkte erst gar nicht berührt, beispielweise die Zugabe von Farb- oder Aromastoffen im Endprodukt oder chemische Zusätze bei der Verarbeitung. Damit diskreditiert sich die Norm bei traditionellen Brennern und Connaisseuren selbst.
Derzeit ist eine Erosion der DO zu beobachten, da Hersteller entweder die DO und damit das Diktat des CRM verlassen oder neue, engagierte Marken sich erst gar nicht zertifizieren lassen und lieber als Aguardiente oder Destilado de Agave statt Mezcal etikettieren.
Die Brände der DOs Bacanora und Sotol spielen bisher auf internationalen Märkten nur eine kleine Rolle. Raicilla ebenfalls, holt aber in Sachen Reputation gegenüber Tequila und Mezcal auf.
Die technischen Details zu den Vorschriften der DOs findet ihr unter ARTEN UND QUALITÄTEN. Auf der nächsten Seite geht es aber zunächst um die HERSTELLUNG.
Ein hervorragendes Buch zum Thema ist „Divided Spirits – Tequila, Mezcal and the Politics of Production“ der Soziologin Sara Bowen. Eine Pflichtlektüre für alle, die sich ernsthaft mit Agavenspirituosen beschäftigen.
Ein umfänglicher wissenschaftlicher Artikel zu den DOs und dem Fallbeispiel Raicilla von Verdebandera (span.)
Und einen Blogbeitrag von Clayton Szczech zum Thema DOs.